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MEIN MOMENT| Der Bottwartal-Organisator

In der Serie MEIN MOMENT der SportRegion Stuttgart kommt in jeder Woche eine Person zu Wort, die im vergangenen Vierteljahrhundert einen besonderen sportlichen Moment erlebt hat. In der 23. Folge geht es um Gerhard Petermann, der neun Jahre lang Cheforganisator des Bottwartal-Marathons war.

Gerhard Petermanns Rückblick

Der Bottwartal-Marathon ist eine Laufveranstaltung, die seit dem Jahr 2004 immer Mitte Oktober stattfindet. Zum Programm gehören neben dem Marathon auch ein Halbmarathon sowie ein Zehn-Kilometer-Lauf, zehn Kilometer Walking, zehn Kilometer Nordic Walking sowie ein sehr selten angebotener Drei-Viertel-Marathon. Seit dem Jahr 2013 gibt es zudem einen Ultralauf über 54 Kilometer sowie mehrere Schülerläufe am Vortag. An Organisation und Umsetzung beteiligt sind die fünf Gemeinden Beilstein, Oberstenfeld, Großbottwar, Steinheim und Murr mit den acht Vereinen TGV Beilstein, TSV Gronau, SKV Oberstenfeld, TV Großbottwar, TGV Winzerhausen, GSV Kleinbottwar, TSG Steinheim und SGV Murr.

Als Mitglied der TSG Steinheim bin ich seit der Gründung des Bottwartal-Marathons mit dem Lauf eng verbunden, anfangs als Streckenverantwortlicher für die Gemarkung Steinheim, später für die Kinder- und Jugendläufe und seit 2012 als Kopf des Organisations-Teams. Das besteht aus 16 Mitgliedern, die auch die involvierten Vereine vertreten. Allein die insgesamt über 600 benötigten Helferinnen und Helfer zu gewinnen und deren Einsatz zu organisieren, ist schon eine wahre Mammut-Aufgabe. Die Zahl mag vielleicht sehr hoch angesetzt erscheinen, aber schließlich müssen an jeder Kreuzung und an jeder Streckenquerung Posten für die Sicherung und einen geregelten Ablauf sorgen. Wir alle sind mit viel Herzblut und viel Liebe zum Detail im Einsatz, bei der Bewirtung und dem ganzen Drumherum, fast alles wird selbst erledigt und nur wenig zugekauft – und alles geschieht ehrenamtlich!

Dass dies gut zu funktionieren scheint und alle einen guten Job gemacht haben, sieht man unter anderem daran, dass der Bottwartal-Marathon bei den letzten sechs Auflagen in Serie von den Teilnehmern und den Usern der Internetplattform „marathon4you“ zur beliebtesten Laufveranstaltung in Baden-Württemberg gewählt wurde. 2019 wurde zudem mit 5.382 „Finishern“ ein neuer Teilnehmerrekord verzeichnet. Die Streckenrekorde im Marathon halten der für den SSV Ulm 1846 startende dreimalige Sieger Titus Kipchumba Kosgei (Kenia), der 2010 bei den Männern 2:22:03 Stunden benötigte, und bei den Frauen die mehrmalige Olympia-, Welt- und Europameisterschaftsteilnehmerin über verschiedene Langstrecken, Sabrina „Mocki“ Mockenhaupt, die 2015 nach 2:43:27 Stunden im Ziel war.

Start und Ziel waren bis 2011 an der Bottwartal-Kellerei in Großbottwar. 2012 wurde der Start aus logistischen Gründen nach Steinheim an das Freibad „Wellarium“ verlegt, weil dort zum Beispiel mehr Parkplätze und auch Duschen zur Verfügung stehen. 2015 „wanderte“ der Start- und Zielbereich an den Steinheimer Kreisverkehr. Die Streckenführung geht von dort über die Gemeinde Murr zurück nach Steinheim und dann über Kleinbottwar, Großbottwar, Oberstenfeld und Gronau bis nach Beilstein und wieder zurück nach Steinheim. Lediglich der Halbmarathon beginnt in Gronau bei Kilometer 21,1 des Marathons. Die Strecke ist komplett asphaltiert und offiziell nach den Richtlinien des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF vermessen. Der Höhenunterschied zwischen dem tiefsten und dem höchsten Punkt beträgt beim Halbmarathon 75 Meter, beim Marathon 82 Meter. Der Ultra-Lauf über 54 Kilometer, der seit sechs Jahren auf einer landschaftlich sehr schönen Strecke stattfindet, weist ein Profil von 1.100 Höhenmetern auf.

Neben dem Ultralauf haben wir unter meiner Federführung auch den Theo-Lorch-Werkstättenlauf ins Leben gerufen und etabliert. Das macht mich stolz, denn diese Integration von Menschen mit Handicap in so eine große Sportveranstaltung ist schon etwas Besonderes, zumal auch die Zuschauer diesen Lauf sehr gut angenommen haben. Der Handicaplauf war immer ein Gradmesser, denn wenn die Teilnehmer mit einem Lachen ins Ziel kommen, haben wir alles richtig gemacht! Dabei gab es bei den Zuschauern immer sensationelle Emotionen, und viele hatten oft Tränen in den Augen!

Eigentlich hatte ich ja vor, die Veranstaltung in diesem Jahr noch über die Bühne zu bringen, ehe ich nach dann zehn Jahren an der Spitze meinen Hut nehmen wollte. Dies hatte ich bereits 2018 angekündigt. Durch Corona und den Ausfall des Bottwartal-Marathons 2020 hat sich jedoch alles geändert, und nun tritt Holger Bäßler in meine Fußstapfen, der bisherige Pressebeauftragte und seit zwei Jahren im Team dabei. Ich bin mir sicher, dass es gut weitergeht, denn das bisherige Team wird ihn weiter unterstützen.

Obwohl ich selbst leidenschaftlicher Läufer bin und über 100 Marathonläufe oder längere Distanzen bestritten habe, bin ich den Bottwartal-Marathon kurioserweise noch nie gelaufen! Lediglich ein Teilstück, denn vor Jahren habe ich mit einem Freund, der leider erblindet ist, den Zehn-Kilometer-Lauf als sein Guide bewältigt, das war für mich ein einmaliges Erlebnis! Ansonsten habe ich die Strecke zigmal zu Fuß belaufen oder bin sie mit dem Rad abgefahren, um Optimierungen vorzunehmen oder Details anzuschauen und zu verändern.

Im Rückblick sind mir die beiden ersten Veranstaltungen nach meiner „Amtsübernahme“ noch in unguter Erinnerung. Die Premiere 2012 wurde durch eine Panne bei einem der kürzeren Läufe getrübt, als ein Helfer die Läuferinnen und Läufer aufgrund eines Missverständnisses auf ein falsches Streckenteil schickte. Da musste ich viel Häme hinnehmen und brauchte ein breites Kreuz. Bei der zweiten Auflage ein Jahr später hat es dann ohne Unterbrechung nur geregnet, und ich war im Ziel, wo ich immer alle ankommenden Finisher abklatsche, schnell nass bis auf die Haut. Doch ab dem dritten Jahr gab es nur noch eitel Sonnenschein und immer optimales Laufwetter!

Ein weiteres Highlight, das mir noch einfällt: Weil ich einmal Wette verloren habe, musste ich im Jahr drauf an beiden Tagen mit blauen Haaren rumlaufen. Wir nutzten die Kinderläufe immer als Spendenläufe, dabei kamen durch Eltern, Großeltern oder andere Zuschauer immer so 400 bis 500 Euro zusammen. Um diese Läufe „anzukurbeln“ und zu promoten, kündigte ich vollmundig an: Wenn mehr als 2.000 Euro in die Spendenglaskugel geworfen werden, komme ich im nächsten Jahr mit blauen Haaren. Am Ende waren es dann sogar 3.000 Euro – man muss manchmal halt auch einen Blödsinn mitmachen!

In den Bottwartal-Marathon habe ich alles in allem rund 10.000 Arbeitsstunden gesteckt, alleine im Jahr 2019 gab es 18 Wochenenden, die in diesem Zusammenhang verplant waren. Alles natürlich ehrenamtlich und mit viel Herzblut. Immer hatte ich jedoch die Rückendeckung meiner Frau Christine, die meine Interessen mit mir teilte, und ohne eine solche Partnerin kann man diesen Aufwand gar nicht betreiben. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Wir bewegen uns beide sehr gerne in der Natur und an der frischen Luft, ob beim Joggen, Wandern oder Radfahren, und sind 2020 in 16 Etappen zu Fuß von Marbach nach Meran gewandert, das war eine sehr schöne gemeinsame Erfahrung. Im nächsten Jahr planen wir eine dreiwöchige Radtour über die Alpen, am Gardasee, Comer See und Lago Maggiore vorbei bis nach Monaco.

Aber ich gehe jetzt ja nicht komplett in den Ruhestand, sondern bin immer noch in meinem Beruf tätig. Nach klassischer Ausbildung in einem Metallberuf, wurde ich auf dem zweiten Bildungsweg Berufsschullehrer und unterrichte seit 15 Jahren an der Christian-Schmidt-Schule Neckarsulm, einer Technischen Schule für Maschinenbau/Elektrotechnik und Kfz-Bau. Der Umgang mit den Jugendlichen ist erfrischend, hält mich fit, fordert mich – zum Beispiel durch die neuen Medien – und macht mir viel Spaß. Ich genieße die Zeit in der Schule.

Am 17. Oktober, wenn der Bottwartal-Marathon 2021 stattfindet, gehe ich hin, ganz klar! Mein Wunsch ist, dass ich gesund und verletzungsfrei bin und zum ersten Mal „meine“ Marathonstrecke im regulären Wettkampf mitlaufen kann. Bisher verspüre ich ob meiner Entscheidung noch keine Wehmut, aber an diesem Tag könnte es schon sein, dass ich ein paar Tränen verdrückte. Im Moment fühle ich nur, dass eine schwere Last, viel Anspannung und ein starkes Verantwortungsgefühl von mir abgefallen sind, und ich fühle eine große Erleichterung. Und ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören, nicht nur wegen des großen Erfolgs zuletzt. Es war eine schöne Zeit, die ich sehr genossen habe und auf die ich mit Stolz, Freude und einem glücklichen Lächeln zurückblicken kann.

Gerhard Petermann ist Berufsschullehrer an der Christian-Schmidt-Schule Neckarsulm und war neun Jahre lang Cheforganisator des Bottwartal-Marathons. Der wurde in den letzten sechs Jahren von den Teilnehmern als beliebteste Laufveranstaltung in Baden-Württemberg gewählt. Er wohnt mit seiner Frau Christine in Marbach am Neckar und bestritt über 100 Läufe (Marathon oder länger). Das Ehepaar Petermann bewegt sich gerne in der Natur und an der frischen Luft, beim Joggen, Wandern oder Radfahren und hat sich als nächstes eine dreiwöchige Radtour über die Alpen bis nach Monaco vorgenommen.

 

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